"Ein intensiver Roman über das Leben mit Grenzen"
Paco Sandt gelingt mit „Die Herde des Curros Caza“ ein schonungsloses und zutiefst menschliches Porträt eines Mannes, der mit destruktiven Kräften kämpft – innerlich und äußerlich zugleich.
Curros ist 23, als er die Diagnose Multiple Sklerose erhält – ein Schlag, der sein Leben radikal umstößt. Seine Freundin Sandra verlässt ihn, und er rutscht zurück in ein Umfeld, das er eigentlich hinter sich lassen wollte. Er zieht zu seinem Bruder Abel und beginnt den schwierigen Versuch, sich nicht nur mit seiner Krankheit zu arrangieren, sondern auch mit seiner Vergangenheit im Drogendealermilieu. Jahre später trifft er auf Sandra, die an Gebärmutterhalskrebs erkrankt – und er begibt sich auf die zutiefst faszinierende Reise, sie zu begleiten, obwohl er selbst längst nicht mehr der starke Mann von gestern ist.
Was mich besonders berührt hat, ist Sandts Mut zur Ambivalenz: Curros wird nicht glorifiziert – im Gegenteil, er ist verletzt, oft überfordert, aber ungebrochen in seinem Wille, weiterzumachen. Der Roman spricht von Krankheit, Schuld, Liebe und Herkunft, ohne in Sentimentalität zu verfallen. In jedem Rückschlag liegt eine Spur von Würde.
Das Milieu, aus dem Curros stammt – geprägt von Gewalt, Drogen, Entwurzelung – wird lebendig geschildert, nie als Kulisse, sondern als Ort, der seine Figuren formt und herausfordert. Die Krankheit MS wird nicht nur medizinisch behandelt, sondern als täglicher Begleiter, mit Schüben, Ängsten und dem steten Ringen um Normalität.
Sandts Sprache ist klar, direkt, ohne Glätte. Es gibt keine überflüssigen Bilder, keine falsche Rhetorik – stattdessen Momente großer Schlichtheit, in denen ein Satz reicht, um eine tiefe Wunde spürbar zu machen. Gerade diese Einfachheit macht das Buch zu etwas Besonderem.
Gelegentlich hätte ich mir etwas mehr Ruhe in den Übergängen gewünscht: Manchmal fühlt sich der Sprung zwischen Vergangenheit und Gegenwart abrupt an. Einige Nebenfiguren bleiben oft undeutlich – nicht alles, was angedeutet wird, wird vollständig ausgeführt. Doch vielleicht liegt genau darin die Absicht: Nicht jede Wunde lässt sich heilen – aber jede stellt Fragen.
„Die Herde des Curros Caza“ ist ein wuchtiger, aber leiser Roman über das Leben mit Begrenztheit, über Verantwortung und die Frage, wie man weitergehen kann, wenn selbst der eigene Körper zu einem Gegner wird. Paco Sandt schafft es, den Leser das Leiden spüren zu lassen – aber auch das Zarte, das Menschliche zwischen den Zeilen. Ein Buch, das nicht vergisst, dass Stärke oft in der Schwäche beginnt.