Leise Geschichten über das Unaussprechliche Mit "Die Vögel singen weiter" legt Lea Söhner eine Sammlung feinfühliger Erzählungen vor, die sich dem Thema Sterben auf stille, aber eindringliche Weise widmen. Es sind keine lauten Geschichten, keine dramatisierten Lebensläufe – vielmehr behutsam aufgezeichnete Momentaufnahmen, die durch ihre Ehrlichkeit und emotionale Tiefe berühren. Was das Buch besonders macht, ist die Perspektive der Autorin. Ihre berufliche Erfahrung als Diakonin und Psychotherapeutin fließt spürbar in jede Geschichte ein – nicht in Form analytischer Distanz, sondern als empathische Nähe. Sie beobachtet genau, aber nie wertend, und schenkt jeder Figur Raum, mit ihrer Geschichte gehört zu werden. Die Erzählungen kreisen um Verlust, Erinnerung, Trauer, aber auch um Hoffnung und Loslassen. Söhner vermeidet Pathos, sie schreibt klar und ruhig, manchmal fast spröde – und gerade das verleiht ihren Texten Kraft. Die Sprache ist schlicht, aber nie banal, was dem sensiblen Thema sehr zugutekommt. Thematisch spannt die Sammlung einen Bogen vom Zweiten Weltkrieg bis in die Gegenwart. Dabei wird deutlich, wie sehr unsere Erfahrungen von Abschied und Vergänglichkeit über Generationen hinweg wirken – manchmal sichtbar, oft nur unterschwellig spürbar. Besonders gelungen ist der Abschluss mit der Geschichte „Michael“, in der die Hoffnung aufscheint, dass das Leben auch nach einem Abschied weitergeht – anders, aber nicht weniger bedeutungsvoll. Fazit: "Die Vögel singen weiter" ist ein stilles Buch mit großer Wirkung. Es schenkt Trost, wo Worte oft fehlen, und erinnert daran, dass auch im Abschied noch Begegnung möglich ist. Eine empfehlenswerte Lektüre für alle, die sich – beruflich oder persönlich – mit dem Thema Sterben und Trauer auseinandersetzen wollen. Ein Werk mit Würde, Tiefe und Respekt.