Bewertungen für Die Schläferin
Die Schläferin
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E
Elke
05.11.2025
Ein Roman über Glaube, Identität und die fragile Grenze zwischen Tradition und Freiheit.
„Die Schläferin“ führt Leser:innen in das Leben der jungen Aliya, die in Mossul unter der Herrschaft des IS aufwächst. Schon auf den ersten Seiten zeichnet Ines Allerheiligen ein eindringliches Bild einer Stadt, in der Hitze, Staub und Angst das tägliche Leben bestimmen. Mit einer Sprache, die atmosphärisch dicht und zugleich klar bleibt, entsteht ein kraftvolles Panorama zwischen Unterdrückung, Hoffnung und innerer Stärke.
Inhalt und Themen
Aliya ist sechzehn Jahre alt, als sie mit dem Islamischen Staat groß wird – eine Welt, in der Frauen kaum eine Stimme haben und Bildung nur den Männern vorbehalten ist. Trotz der Einschränkungen sucht Aliya nach Erkenntnis und nach Sinn. Sie liest heimlich in den Schulbüchern ihres Bruders und beginnt, über das Leben jenseits der Mauern ihrer Stadt nachzudenken.
Als sie verheiratet wird und nach London zieht, beginnt ein zweites Kapitel ihres Lebens: aus dem Schatten der Tradition tritt sie in eine fremde, westliche Welt – geprägt von neuen Freiheiten, aber auch von Einsamkeit und innerer Zerrissenheit. London steht als Symbol für den Zusammenstoß zweier Kulturen: einer Frau, die gelernt hat zu gehorchen, und einer Gesellschaft, die Selbstbestimmung erwartet.
Die Autorin zeigt diesen Konflikt feinfühlig und vielschichtig – ohne zu verurteilen, sondern mit stillem Mitgefühl für ihre Protagonistin. Besonders berührend sind die Szenen, in denen Aliya versucht, zwischen Glaube und Selbstfindung ihren Weg zu finden.
Stil und Sprache
Ines Allerheiligen schreibt in einem erzählerisch dichten, filmischen Stil. Jede Szene ist detailreich beobachtet, vom Staub auf den Straßen Mossuls bis zum gedämpften Licht in einem Londoner Treppenhaus. Sie schafft es, politische Themen in menschliche Erfahrungen zu übersetzen. Dabei bleibt die Sprache zugänglich, ruhig und zugleich kraftvoll – getragen von einer inneren Spannung zwischen Schönheit und Schmerz.
Die Autorin verzichtet auf plakative Dramatik und vertraut stattdessen auf die emotionale Wirkung der Bilder. Dadurch entfaltet sich eine stille Intensität, die noch lange nachklingt.
Wirkung und Bedeutung
„Die Schläferin“ ist weit mehr als ein Kultur- oder Migrationsroman. Es ist eine Geschichte über Erwachen – über die Kraft, trotz Angst und Enge einen eigenen Standpunkt zu finden. Aliya wird zur stillen Heldin einer Generation zwischen zwei Welten.
Das Buch berührt besonders, weil es reale Themen aufgreift: religiöse Prägung, weibliche Selbstbestimmung, Liebe, Spiritualität und Identität in einem globalen Spannungsfeld. Die Erzählung wirft leise, aber eindrückliche Fragen auf:
– Was bedeutet Freiheit, wenn sie alles Vertraute bedroht?
– Kann Glaube Halt geben – oder wird er zum Käfig, wenn er instrumentalisiert wird?
– Und wann beginnt wahres Erwachen?
Fazit
Ein eindrucksvoller, mutiger Roman, der zeigt, dass Schlafen und Erwachen nicht nur körperliche Zustände sind, sondern seelische. Ines Allerheiligen schenkt ihrer Figur Würde, Tiefe und eine unverwechselbare Stimme.
Bookdog666
02.11.2025
Packender Roman - wie wird eine junge Frau zu einer Terroristin?
Wie wird eine junge muslimische Frau zu einer Terroristin?
Das Buch geht dieser Frage nach, schildert das Leben der jungen Aliya in Mossul, ihre arrangierte Ehe und den Umzug ins kalte, trostlose London, wo sie sich, völlig entwurzelt und einsam, einer Frauengruppe anschließt, in der sie Halt findet, und eine Aufgabe und Bestimmung ...
Ein packender Roman.
L
Lorenz Bruckner
10.11.2025
Wichtiges Thema, mit Höhen und Tiefen erzählt
„Die Schläferin" behandelt ein hochaktuelles und heikles Thema: die Radikalisierung einer jungen Frau, die aus dem IS-kontrollierten Mossul nach London kommt und dort in extremistische Kreise gerät. Die Autorin wagt sich an ein Thema, das Fingerspitzengefühl erfordert – und das verdient zunächst einmal Respekt.
Die Geschichte beginnt eindrücklich. Die Schilderungen des Lebens in Mossul unter IS-Herrschaft sind atmosphärisch dicht und vermitteln die Brutalität und Enge dieser Zeit spürbar. Man fühlt mit der jungen Aliya, die in dieser Welt aufwächst und die strengen Regeln sogar verinnerlicht hat. Der Kontrast zu ihrem späteren Leben in London ist stark und zeigt die innere Zerrissenheit der Protagonistin nachvollziehbar.
Allerdings hatte ich beim Lesen einige Schwierigkeiten mit der Entwicklung. Die Radikalisierung in London wirkte auf mich stellenweise zu schnell und zu konstruiert. Die Frauengruppe um Latifa ist von Anfang an verdächtig eindimensional gezeichnet, und Aliyas Weg vom Koranverse-Verteilen zum geplanten Anschlag fühlte sich etwas zu abrupt an. Hier hätte ich mir mehr psychologische Tiefe gewünscht – gerade bei so einem komplexen Thema.
Positiv hervorzuheben ist, dass die Autorin keine einfachen Antworten gibt. Die Geschichte zeigt verschiedene Perspektiven und macht deutlich, wie Manipulation und Verzweiflung zusammenspielen können. Das Ende ist spannend, wenn auch etwas zu "Hollywood-mäßig" aufgelöst – die Rettungsaktion wirkte auf mich nicht ganz plausibel.
Der Schreibstil ist insgesamt solide, manchmal etwas simpel, aber flüssig zu lesen. Einige Dialoge wirkten auf mich allerdings etwas hölzern, besonders die Gespräche zwischen Aliya und Isa hätten natürlicher klingen können.
Fazit: Ein wichtiges Buch zu einem aktuellen Thema, das zum Nachdenken anregt. Die Umsetzung ist okay, hätte aber an manchen Stellen mehr Tiefe vertragen können. Für Leser, die sich mit dem Thema Radikalisierung und kulturellem Konflikt auseinandersetzen möchten, durchaus lesenswert.